Eben bei Anne Will gab es das Thema Politikverdrossenheit. Leider wurde nichts wirklich substantielles gesagt, zumindest nicht im Vergleich zu dem heutigen Posting von Charles Stross der Argumentiert das die momentan zu beobachtende religiöse Intoleranz ein klassischer Fall von “Future schock” sei. Eine Argumentation die man auch wunderbar auf die Unzufriedenheit mit der Politik beziehen kann.
Bereits 1996 wurde in der Zeit die aktuelle Finanzkrise bemerkenswert genau vorhergesagt (und heute bei Weissgarnix ein Update von dem damaligen Autor geschrieben). Kurze Zusammenfassung von einem nicht Ökonom, es wird zuerst schlechter, bevor es besser wird…
Wenn wir uns an die Situation von vor fünf bis zehn Jahren erinnern, haben sich damals palästinensische Terroristen in Schulbussen in die Luft gesprengt, während auf der anderen Seite Ariel Sharon eine klare Strategie hatte, den Bau des Grenzzauns zwischen Israel und den besetzten Gebieten um die innenpolitische Situation in Israel zu beruhigen. Gleichzeitig zog sich Israel zuerst aus dem Südlibanon und danach aus dem Gazastreifen zurück und verhandelte mit der Autonomiebehörde. Das Resultat war, dass die einzige Demokratie im nahen Osten international nicht als Besatzer, sondern als die vernünftigere Konfliktpartei wahrgenommen wurde. Seitdem hat Israel einen Fehler nach dem nächsten gemacht, es fing damit an das sie die gewählte Regierung der Autonomiegebiete nicht anerkannt haben. Dadurch hat Israel eine Situation geschaffen, in der sie keinen legitimen Ansprechpartner mehr auf der palästinensischen Seite hatten. In dieser Situation versuchte die Fatah wieder nach der Macht zu greifen und die Autonomiegebiete wurden faktisch in die von der Fatah kontrollierte Westbank und den Gazastreifen geteilt. Israel hatte nicht nur keinen für sie akzeptablen Anschsprechpartner auf palästinensischer Seite mehr, sondern es gab niemanden der die Macht gehabt hätte für die Palästinenser zu verhandeln. In dieser Situation hätte es von Israelischer Seite eine langfristig tragbare Strategie gebraucht. Stattdessen ist Sharons Nachfolger, Ehud Olmert, in zwei Kriege gestolpert, während er gleichzeitig eine zwei Staaten Lösung anstrebte. Unglücklicherweise war einer dieser beiden Staaten aber bereits zerfallen.
Das Resultat war, dass bei den Parlamentswahlen im Februar 2009 eine Rechtskoalition die Mehrheit gewann und mit Benjamin Netanjahu den Regierungschef stellt. Diese Koalition macht den Eindruck sie sei Belagert. Zumindest beachten sie weder grundlegende palästinensische Interessen, wie den Bedarf an Baumaterialien, noch die Weltöffentlichkeit. Sie haben unter anderem ein Schiff mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen in internationalen Gewässern gekapert und machen auch diplomatisch nicht den besten Eindruck. Das Resultat dieser Politik ist, dass Israel nun die Blockade lockern muss. Das kann einen Wendepunkt des Nahostkonfliktes darstellen. Zum ersten mal seit langer Zeit, hat die Hamas die Initiative.
Im Moment ist eine Flotte von neun Schiffen auf dem Weg nach Gaza um fünftausend Tonnen Hilfsgüter in den abgeriegelten Gazastreifen zu bringen. Die israelische Regierung verlangt, dass diese Hilfsgüter in Israel gelöscht werden und dann über den Landweg in den Gazastreifen gebracht zu werden. Sowohl der Wunsch die suboptimale humanitäre Situation in Gaza zu verbessern als auch die Israelische Forderung nach Inspektion der Hilfsgüter ist nachvollziehbar und legitim.
Die Befürworter des Konvois argumentieren, dass diese israelische Blockade aller irgendwie dual-use Verdächtiger Waren zu einer humanitären Katastrophe führt. Daher weigern sie sich auf das israelische Angebot einzugehen, die Waren über den Landweg in den Gazastreifen zu bringen. Auf der anderen Seite ist es durchaus wahrscheinlich, dass unter siebenhundert Aktivisten an Bord des Konvois sich mindestens einer befindet, der Versucht Waffen oder Sprengstoff in den Gazastreifen zu schmuggeln.1 Deshalb berührt das Unterlaufen der Blockade die israelischen Sicherheitsinteressen.
Alle beteiligten haben also gute Gründe so zu handeln wie sie handeln. Und hier müsst Politik damit beginnen die Interessen der jeweils anderen Seite anzuerkennen. Eine mögliche Lösung wäre, dass eine neutraler Staat die Schiffe inspiziert und die Verwendung der Hilfsgüter überwacht. Unglücklicherweise versucht aber keine Seite die jeweils andere zu verstehen. So haben die Organisatoren es abgelehnt sich für Gilad Shalit einzusetzen, der seit vier Jahren von der Hamas gefangen gehalten wird. Dies ist ein Symptom für die Situation in der Region, es ist ein Punkt erreicht wo keine Seite mehr die Interessen der anderen wahrnimmt. Und solange dies so bleibt, ist ein neuer Krieg wahrscheinlicher als eine Verbesserung der Situation im nahen Osten.
Politik muss sich mit Möglichkeiten auseinandersetzen. Ich behaupte nicht, dass Waffen an Bord sind, ich kann es mir aber vorstellen. [↩]
Über die drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands wird eine Menge geschrieben und viele die mehr Ahnung als ich haben, haltendieDeutscheStrategiefürgescheitert.
Die griechische Tragödie ist aber auch ein Lehrstück wie Politikverdrossenheit entsteht. Die Politik muss handeln oder nicht handeln und die Kommentatoren können abwarten, was richtig gewesen wäre. Am Ende gelten die Politiker als unfähig egal was sie getan haben.
Betrachten wir also die Handlungsoptionen der (deutschen) Politik im Januar, als die Zahlungsschwierigkeiten ruchbar wurden: Die Politik könnte ein klares Signal an die Finanzmärkte senden (zum Beispiel eine Garantie für die nächste Runde griechischer Refinanzierung). Die Finanzmärkte preisen dann ein, dass im Zweifel die EU zusammensteht und die Probleme einzelner Mitgliedsstaaten löst. Dann wären die Zinsen für griechische Staatsanleihen nicht in die Höhe Geschossen, Griechenland hätte seine Staatsfinanzen ordnen können und die Schlagzeile wäre gewesen, Politik verbrennt deutsche Steuergelder.
Die alternative dazu ist nichts zu tun, sich als “Madam No” zu profilieren und zu hoffen, dass es schon nicht so schlimm wird. Dann sehen die Finanzmärkte das Signal, im Zweifel kämpft jeder Euro Staat für sich selbst. Und die Mitgliedsländer werden als einzelne Volkswirtschaften wahrgenommen. Der Stresstest für die anderen Volkswirtschaften ist dann Griechenland. Es wird geguckt, wer denn noch Probleme kriegen könnte: Die Märkte preisen die Möglichkeit höherer Zinsen ein – durch höhere Zinsen. Dadurch kommt die Spirale in Gang, die wir jetzt sehen. Zuerst steigen die Zinsen für die schwächste Volkswirtschaft, Griechenland, das dadurch Probleme bekommt. Gleichzeitig steigen die Zinsen für die anderen Volks-wirtschaften, denn es wird gefragt wer seine Zinsen unter den Bedingungen Griechenlands bedienen könnte. Am Ende muss eine ernsthafte Krise unter Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Kräfte abgewendet werden. Die Schlagzeilen sind aber exakt die gleichen: Die Politik verbrennt deutsche Steuergelder.
Für das Ansehen der politischen Klasse sind beide Optionen ähnlich schlecht. Hinterher werden nur die wenigen die sich ernsthaft mit der Materie beschäftigen erkennen, dass es die reale Gefahr einer Krise gab und der politischen Klasse gratulieren. Der mehrheitliche Eindruck wäre aber: Es werden Steuergelder verbrannt um eine Krise zu bekämpfen die nie akut wurde. Oder die Politik verbrennt Steuergelder um eine Krise zu bekämpfen, die sie selbst durch Feigheit Untätigkeit verursacht hat. Wenn ich nun die Argumentation umkehre, dann ist es wahrscheinlich ein gutes Zeichen, dass die Politiker selten ein Problem so offensichtlich in die Ägäis setzten wie aktuell die Griechenland Krise.
Ein Staat kann nur so erfolgreich sein, wie er es zulässt. Wenn sich Kreative mehr Gedanken um Zensur und die Rechtslage machen müssen, dann wird es zumindest weniger Fortschritt geben.
Dabei sind unser Wissen [das der Chinesen] und unsere Informationen durch das Einparteiensystem begrenzt.
In diese Richtung driftet unsere Gesellschaft momentan. Eine sehr schöne Einführung in die aktuellen Bestrebungen den Informationsfluss zu verlangsamen hat Jan Tißler beim UPLOAD-magazin geschrieben.
Erstaunlich viele Leute scheinen zu glauben, dass Außenpolitik ein Nullsummenspiel ist. Es wird dann häufig argumentiert, Deutschland sei in der EU benachteiligt weil sich Staat X durchgesetzt hat. Und umgekehrt, dass deutsche Interessen gegen die anderen EU Mitglieder durchgesetzt werden müssten. Ich halte diese Sichtweise nicht nur für falsch, sondern sogar für deutschen Interessen diametral entgegengesetzt.
Denn Deutschland hat exakt drei außenpolitische Interessen, Europa, die EU und die europäische Einigung. Der Grund dafür ist, dass Deutschland als exportorientiertes Land mit neun Nachbarn (von denen acht in der EU sind) sich zuerst auf die Unmittelbare Umgebung konzentrieren sollte. Wenn es den Nachbarländern gut geht, dann geht es auch Deutschland gut. Und wenn es den Nachbarn nicht gut geht, dann können sie auch nicht mit uns handeln. Umgekehrt liefert Deutschland jenen in den Nachbarstaaten die Außenpolitik und Handel als Nullsummenspiel betrachten billige Argumente, wenn Deutschland eine zu aggressive Außenpolitik betreibt.
Unter den Nachbarn sind Frankreich und Polen die beiden größten Staaten, und mit beiden verbindet uns eine nicht einfache Geschichte. Deutschland sollte dabei insbesondere die Beziehung zu Frankreich pflegen, denn beide Staaten sind fast gleich groß, sind ähnlich stark industrialisiert und die beiden Staaten verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Bei der Betrachtung dieser Geschichte wird besonders deutlich, warum gute Beziehungen zu Frankreich so wichtig sind – die meiste Zeit standen sich Deutschland und Frankreich feindlich gegenüber. Die Tragödie war die Ähnlichkeit beider Länder, beide hatten und haben deshalb weitgehend identische Interessen. Wenn nun beide versuchen ihre Interessen gegeneinander durchzusetzen, dann setzt sich immer nur ein Staat durch. Und um sich durchzusetzen müssen beide alle ihre Möglichkeiten einsetzen, denn beide sind fast gleich stark. Das ist der Grund warum es so viel mehr Deutsch Französische als Deutsch Niederländische Kriege gab. Die Vorteile einer guter Beziehungen zu Frankreich werden noch dadurch erhöht, dass beide Staaten Mittelmächte sind. Keiner der beiden hat wirklich Weltgeltung, aber beide sind global nicht unwichtig. Wenn sie gemeinsam agieren sind Deutschland und Frankreich fast eine Supermacht, es gibt kaum Staaten die sich alleine einem gut begründeten gemeinsamen Interesse widersetzen könnten. Im Gegensatz dazu können diese Interessen gegeneinander ausgespielt werden, wie die Lohnforderungen zweier Tagelöhner im Neunzehnten Jahrhundert.
Auf der anderen Seite Deutschlands hat Polen zwar nicht die gleiche wirtschaftliche Basis wie Frankreich, ist in diesem Bereich also Deutschland nicht so ähnlich, aber Polen ist der größte Staat der neu beigetretenen ehemaligen Ost-Block-Staaten. Deshalb ist Polen für die Architektur der EU sehr wichtig, es ist der natürliche Sprecher der neu beigetretenen Staaten. Und es gibt keinen anderen Staat, bei dem sich der Bruch mit der Geschichte besser Demonstrieren ließe. Das ist außenpolitisch wichtig, besonders wenn man eine solche radikal kooperative Außenpolitik befürwortet. Denn auch wenn es vielleicht unfair ist die heutigen Deutschen für Verbrechen der Großväter in Sippenhaft zu nehmen, so ist es doch leicht möglich in den Nachbarstaaten Ressentiment gegen Deutschland zu schüren.
Schwarz-Gelb verspricht nach der Wahl Steuersenkungen und das trotz der wahrscheinlichen Haushaltslöcher im nächsten Jahr. Stellt sich die Frage, wie sollen die Steuersenkungen finanziert werden?
Die offizielle Antwort darauf ist die Laffer Kurve. Diese besagt, wenn die Steuern zu hoch sind, dann kann ein Staat seine Einnahmen erhöhen indem er Steuern senkt.1
Da aber seit zehn Jahren die Einkommenssteuern gesenkt werden, sind die Steuern wohl kein ernsthaftes Wachstumshindernis – selbst wenn sie es unter Kohl gewesen sein sollten. Und Steuersenkungen sollten zu weniger Einnahmen führen. Da CDU/CSU und FDP gleichzeitig versprechen die Staatsverschuldung zu verringern, haben sie einen Zielkonflikt.
Aber vielleicht haben sie auch Glück und die EZB schafft es nicht die aktuell hohe Liquidität wieder einzusammeln. Dann könnten sie doch noch beide Ziele erreichen. Der Trick heißt natürlich Inflation, denn wenn es fünf Prozent Inflation gibt, würden sich die Staatseinnahmen um mehr als fünf Prozent erhöhen. Dann schafft Schwarz Gelb die kalte Progression ab, bekommt nur noch fünf Prozent Mehreinnahmen und kann damit den Haushalt sanieren. Und gleichzeitig die Steuern senken.
Der Nachteil dieser Strategie ist offensichtlich, alle staatlichen Leistungen die als nominelle Geldbeträge in irgendwelchen Gesetzen und Verordnungen stehen werden weniger wert. Zum Beispiel hätte ein Hartz-IV Empfänger zwar immer noch die gleiche Menge Geld in der Tasche, könnte sich aber weniger davon kaufen. Und eine hohe Inflation hat ein scheinbar hohes Wirtschaftswachstum zur folge. Damit würde Schwarz-Gelb also alle Wahlversprechen problemlos erfüllen können.
Es ist ein Allgemeinplatz, dass wir in oberflächlichen Zeiten leben. Allerdings wird es einem selten so vorgeführt wie beim Betrachten alter Wahlwerbung.1
Es mag sein, dass Josefs Argumente ein wenig polemisch herüberkommen, aber zumindest versucht er zu argumentieren. Wenn man nun versucht dem aktuelle Wahlwerbung gegeüberzustellen muss man erstmal Wahlwerbung finden – ich habe in dieser Reihenfolge zuerst die Werbung der Piratenpartei
gefunden, dann der MLPD und danach der NPD. Erst wenn man weder auf Google noch Youtube sucht, findet sich gut versteckt bei den im Bundestag vertretenen Parteien die TV Werbespots. Daher nach längerer Suche, der „Angela Merkel“ Spot der CDU.
die FTD hat eine Zusammenstellung der schönsten Wahlwerbung seit 1980. [↩]
Die USA haben den Irak 2003 innerhalb weniger Wochen besiegt. Und der Frieden danach unterscheidet sich kaum von einem Bürgerkrieg. Deshalb muss man Fragen, was haben die USA falsch gemacht? Warum ist die Situation im Irak soviel schlechter als im ehemaligen Jugoslawien?
In dem TED Video macht sich Paul Collier einige Gedanken was am Morgen nach dem Krieg passieren muss, damit es wirklich der Morgen nach dem Krieg ist.
Die interessanteste These des Videos ist, dass Politik in der nachkriegs Ära relativ unwichtig sei. Paul Collier fokussiert den Begriff „politics“ aber zu einseitig auf Wahlen. Bei deren Rolle ich ihm durchaus zustimme, Wahlen produzieren Verlierer und höchstwahrscheinlich sind diese Verlierer identisch mit einer der ehemals kriegsführenden Parteien.1 Aber ebenso ist die Aussöhnung der Konfliktparteien eine politische Aufgabe.
Die dann die Politik mit anderen Mitteln fortsetzen. [↩]