Die zwei Parteien SPD
Monday, September 20th, 2010
Bei der letzten Bundestagswahl erreichte die SPD nur noch 23% der Zweitstimmen und ein ebenso verheerendes Ergebnis der Erststimmen. Zusätzlich ist bei jedem Artikel über die SPD auffällig, mit wie viel Häme die Partei in den Kommentaren überschüttet wird. Dies sind Symptome einer Krise die, besonders vor der Wahl, auch in den etablierten Medien wahrgenommen wurde. Je nach politischer Position des Kommentators wurde diese Krise entweder durch den Verrat der SPD an den eigenen politischen Überzeugungen oder als zu wenig Modernisierung des Parteiprogramms dargestellt. Diese beiden Analysen sind nur dann nicht widersprüchlich, wenn man die SPD als eine Partei auffasst in der zwei grundlegende Politikstile vertreten waren.
Es gibt viele Wege politische Gruppen einzuteilen, in diesem Essay wird nur zwischen Konservativen und Utopisten unterschieden werden. Die Idee dieser Unterscheidung wird am Beispiel einer Wanderung im Nebel deutlich. Es gibt eine Gruppe, die Konservativen, die Karten grundsätzlich misstrauen. Sie starren auf ihre Füße um ja nicht zu stolpern, oder einen Abgrund zu übersehen. Der Vorteil ist offensichtlich, das Risiko zu stolpern ist gering, aber dabei wird das große ganze vergessen. Früher oder später wird sich eine ausschließlich konservative Wandergruppe in einer Sackgasse wiederfinden, denn es ist keineswegs offensichtlich wo man ankommt.1
Die extreme Gegenposition ist das reine Vertrauen auf eine Karte. Dann ist das Ziel bekannt. Und auch der Weg dahin, unglücklicherweise sind aber weder Stolpersteine auf einer Karte verzeichnet noch sind politische Karten ähnlich verlässlich wie geographische. Diese Gruppe, ich nennen sie Utopisten, sind bereit in Abgründe zu springen falls die Karte das Paradies auf der anderen Seite des Abgrundes verzeichnet. Politisch bedeutet diese Position, dass der erste Gedanke der Welt, wie sie sein sollte, gilt und der Zweck die Mittel heiligt.
Klassischerweise ist die Sozialdemokratie der dritte Weg zwischen diesen beiden extremen gewesen. Auf der einen Seite, sollte es der breiten Bevölkerung, den Arbeitern, besser gehen – die Maxime des Sozialismus wurde als richtiges Ziel anerkannt. Auf der anderen Seite heiligt der Zweck aber nicht die Mittel. Deshalb hat die Sozialdemokratie immer einzelne Schritte, in die richtige Richtung, der Weltrevolution vorgezogen. Die heutigen Probleme der SPD fingen mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts an. Seit dem gibt es keine ernstzunehmende theoretische Alternative zu dem Kapitalismus – die Sozialdemokraten hatten keine Karte mehr. Als dann Neoliberale das hohe Lied des Marktes sangen, erkannten einige Sozialdemokraten dies als die neue Karte und versuchten dieselbe dritter Weg Strategie, die hundert Jahre zwischen Kommunisten und Konservativen erfolgreich war, auf die neoliberale Ideen anzupassen.
Konkret konnten die Sozialdemokraten deshalb das gesamte linke Spektrum abdecken, solange es nur die Wahl zwischen dem Kommunismus und dem Kapitalismus gab, etwa bis Ende der siebziger Jahre. Der linke Flügel konnte sich in dieser Konstellation als Avantgarde fühlen, sie lieferten die Ideen. Der rechte Flügel konnte sich aus diesen Ideen das herauspicken, was kurzfristig keinen Schaden anrichtet und langfristig wünschenswert ist. Die damalige SPD Politik spiegelte also die Dialektik von These, Antithese und Synthese. Als sich neben dem Kommunismus eine zweite, auf Harmonie mit der Natur bedachte, Utopie herausbildete, funktionierte diese Aufteilung nicht mehr. Die SPD konnte deshalb nicht verhindern das sich die Grünen gründeten und Erfolg hatten, weil sie sich zwischen einer industriellen und einer grünen Utopie entscheiden mussten.
Die wirklichen Probleme der SPD fingen dann mit dem Zusammenbruch des Kommunismus an. Insbesondere die Planwirtschaft hatte sich als nicht überlebensfähig erwiesen. Und es setzte ein Umdenken im rechten Flügel ein. Der konservative Flügel der SPD versuchte nun seine traditionelle Strategie auf das erfolgreichere Wirtschaftssystem anzuwenden. Die neue Strategie der konservativen Sozialdemokraten war also nun, die besten Ideen der Neoliberalen umzusetzen. So entstand eine neue Situation innerhalb der Partei, in der linke und konservative keine gemeinsame ideologische Basis mehr hatten. Diese Situation führte zur Bildung der Linkspartei, in der sich die Genossen versammelten, die sozialdemokratisch als Sozialismus light verstanden hatten. Auf der anderen Seite versuchte sich die Regierungs- SPD an einem Neoliberalismus light. Das deutliche ergrünen der SPD während der Rot-Grünen Ära ist ebenso zu verstehen, die SPD verteidigt die als notwendig erkannten Teile der grünen Utopie.
Die SPD muss also nicht eine kurzfristige Vertrauenskrise überstehen, sondern es gab zwei grundsätzlich verschiedene Politansätze in der SPD, die früher zu ähnlichen Antworten kamen. Heute jedoch nicht mehr. Die SPD sieht sich daher einer strukturellen Krise gegenüber, die aber auch Chancen eröffnet. Falls die SPD es schafft sich als unideologische Vermittler im linken Mainstreams zu positionieren, kann sie eine neue Rolle in der politischen Landschaft finden. Dafür müsste sie sich sowohl von den Grünen als auch von der Linkspartei abgrenzen, während sie gleichzeitig die gemeinsame Vision betont. In dieser Konstellation könnte eine schlagkräftige Linke Bewegung entstehen.
- Hier hinkt die Analogie. Für im Wortsinne Konservative bedeutet der Status Quo bereits die beste aller Welten, das Ziel ist also bereits erreicht. [↩]
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