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Fünf Parteien System

Wednesday, June 4th, 2008

Ein Allgemeinplatz der zeitgenössischen Politikberichterstattung lautet, die Lage sei unübersichtlich geworden. Seit der Formierung der Linken gebe es de facto drei Lager, Schwarz-Gelb, Rot-Grün und dagegen. Eine ebenso häufig gehörte Voraussage ist, es wird keine kleinen Koalitionen mehr geben, sondern nur noch Ampel- oder große Koalitionen. Diese Vorhersage ist, zumindest bis zu der übernächsten Bundestagswahl, ebenso trivial wie wahrscheinlich. Das bedeutet aber immer lagerübergreifende Koalitionen und daher den Abschied von den politischen Lagern.
Vor 2005 war die Wahlentscheidung zuerst eine Entscheidung zugunsten eines Lagers. Je nach dem, ob das Lager mehr oder weniger liberal agieren soll, wurde dann die größere oder kleinere Partei gewählt. Heute ist das Risiko zu wählen ungleich höher. In der Hoffnung auf Rot-Grün in Hamburg habe ich Grüne gewählt und damit Ole von Beust zu einer dritten Amtszeit verholfen. Eine Konstellation die ich mir vor der Wahl zumindest nicht eingestanden habe.

Was sind die Konsequenzen dieser Unübersichtlichkeit?

Eine Möglichkeit ist die Rückkehr der Lager. Dann gäbe es eben auf der Linken normalerweise drei Parteien Koalitionen, denen zwei Parteien auf der Rechten gegenüberstehen. Ebenso könnten die beiden großen Partien auch die politische Entscheidung treffen, dass zwei Lager gewollt sind. SPD und CDU gemeinsam könnte dafür das Mehrheitswahlrecht einführen.1
Alternativ könnte die Gründung der Links-Partei aber auch tatsächlich etwas ändern. Dann könnten die Parteien im Wahlkampf nicht mehr aufeinander eindreschen, denn sie müssen ja vielleicht miteinander Koalieren, ein Problem, dass sich gerade in Hessen zeigt. Sie müssten vielmehr jeweils eigene Inhalte finden, dem Wähler erklären warum ausgerechnet sie gewählt werden sollten. Und zwar trotz des Risikos einer „kollateral Unterstützung“ einer nicht gewollten Koalition. Die Zeit prophezeit, dies führe zu einer „Politisierung des Wahlkampfes“. Denn jede Partei müsste mindestens eine originäre Ideen haben, um sich von den anderen zu Unterscheiden. Mehr noch, jede Partei wird erklären müssen, warum jede denkbare Koalition mit ihr besser ist als jede andere Option. Gleichzeitig darf die Idee aber nicht so originell sein, dass diese Partei mit keiner anderen Koalitionsfähig ist.
Leider ist die entsprechenden Dystopie ebenso vorstellbar. Ein Parlament in dem jede Debatte schriller wird als die Vorhergehende, Parteien die, von der Notwendigkeit sich zu unterscheiden getrieben, immer populistischere Forderungen stellen. Eine Opposition die ihre erste Pflicht in dem Sturz der Regierung sieht. Daraus resultiert dann eine schwache Regierung, die sich in der gegenseitigen Belagerung mit dem Parlament selbst fesselt. Eine solche politische Kultur wäre dem Wohlergehen des eigentlich zu regierenden Landes sicherlich nicht zuträglich.
Die Entscheidung welche dieser Möglichkeiten realisiert wird, wie und ob ein fünf Parteien Parlament funktioniert, liegt beim Wähler. Denn auch wenn viel über die Abgehobenheit der Politiker geredet wird, so sind sie doch von den Wählern abhängig. Die Frage ist also, wird der Wähler die beginnende Flexibilität honorieren? Oder werden die Grünen und die CDU in Hamburg abgestraft weil sie mit den Schmuddelkindern spielen? Wie wird abgewogen, wer in solch einer Koalition gute Arbeit leistet? Ein kompliziertes System mit vielen Parteien braucht also noch mehr als ein „zwei Lager“ System den interessierten Bürger.

  1. Zu diesem Thema ist genug geschrieben worden, und ich enthalte mich hier ausdrücklich einer Bewertung. []

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